Tabak

Aus Helmsheim


In froher Runde

Heiteres um das Tabakeinfädeln


Der Tabak ist reif – er wird gebrochen – wird sortiert und dann kommen wieder jene gemütlichen Nachmittage und Abende. Abende, die hervorragen aus dem Gleichmaß der Arbeit, Stunden die das Alltagsleben angenehm Verschönen: „Gemeinsames Tabakfädeln“. Früher kamen die Frauen zum Spinnen zusammen – unterhielten sich – tauschten Erfahrungen aus. Frohe Stimmung brachte sie zusammen und so ist es heute noch beim Tabakfädeln. Leicht angewelkt fährt der Bauer seinen mit Tabakbuscheln beladenen Wagen ins Dorf. Unterwegs schon läd er Freunde, Nachbarn und Bekannte ein. Bis er Daheim ankommt weiß er dann, dass seine Küche, seine Scheune oder Stall, wo das Tabakfädeln am Abend stattfindet, voll besetzt sein wird.


Tabakeinfädeln

Vor allem die Jugend ist immer gerne dabei und jeder Kenner weiß, dass es beim Bestellen darauf ankommt, die richtige „Mischung“ zu finden. Es spricht sich sehr schnell herum wo Stimmung zu erwarten ist – die Jugend kennt ihre Häuser.
Nun beginnt das Tabakeinfädeln. Immer fädelt ein „Links er“ und ein „Rechts er“ zusammen. Es wird dadurch viel Platz gespart. Alles sitzt schön geordnet – das An- und Abtragen übernehmen die Ehemänner, der Bräutigam oder Freunde der anwesenden Mädchen. Der „Gastgeber“ sitzt still in einer Ecke, freut sich über das emsige Arbeiten und macht „Fäden“. Er allein kennt seine „Sparren“ und weiß wie lange die einzelnen Bandeliere werden müssen.
Oft ist unter den Burschen ein Ziehharmonikaspieler – bei Musik und fröhlichen Liedern läuft die Arbeit nochmal so gut.

Während drinnen fleißig gearbeitet wird, stehn vor dem Hause eine Gruppe die noch nicht weiß was sie anstellen mögen vor Tatendrang.


Tabakeinfädeln

Aber nicht lange wird beraten – plötzlich sind sie verschwunden. Doch die eingetretene Ruhe trügt. Von irgendwo werden verschiedene Geräte herbeigeschleppt – auf dem Hof beginnt ein geheimnisvolles Treiben. Das Objekt – das diese Jungen so beschäftigt ist ein Bauernwagen. Die Räder werden ausgewechselt – die Großen nach vorn – die Kleinen nach hinten. Kein Laut ist zu hören bei der Arbeit. Der Bauer wird staunen am nächsten Morgen wenn er die Bescherung sieht. Doch damit ist die Arbeit dieser Burschen noch nicht zu Ende – denn wo man arbeitet, sagt ein altes Sprichwort, dort soll man essen und trinken.
Das Tabakfädeln ist nahezu fertig. Selbstverständlich bieten die neu hinzugekommenen ihre Hilfe an. Es wird aufgeräumt und alles zum Vespern bereitgemacht. Tüchtig wird zugegriffen – der Mostkrug macht seine Runde – alte Geschichten werden erzählt.


Tabakeinfädeln

Ist die Stimmung besonders gut, wird noch das Tanzbein geschwungen. Der Bauer freut sich – weiß er doch, dass er am nächsten Abend wieder ein „volles Haus“ haben wird und dass er ohne Sorgen 30 – 40 Buscheln zum Fädeln vorbereiten kann.
Ein Stück Romantik umgibt diese gemeinsamen Stunden des Tabakfädelns. Doch auch für diese Arbeit haben Ingenieure schon Maschinen geschaffen die langsam aber sicher in die Häuser dringen, die diese gemeinsamen Abende aussterben lassen.
Arm in Arm geht die Jugend nach Hause. Leise löst sich an der nächsten Straßenecke ein Pärchen aus der Gruppe um noch ein wenig „in die Sterne zu schauen“. Doch das Mädchen drängt heim. Allzu deutlich klingen ihr noch die Scheltworte der Mutter vom letzten Samstag im Ohr – geschwind huscht sie zur Haustür.
Aber – oh weh – der Schlüssel dreht sich, doch die Tür öffnet sich nicht – zugebunden mit Draht, ein alter Scherz. Am Abend ist das nicht weiter schlimm – aber morgens, wenn es höchste Zeit ist zur Bahn zu kommen, ist eine zugebundene Haustür das größte aller Übel.
Anders ist dies um die mitternächtliche Stunde. Der Freund ist noch in der Nähe hat auch „zufällig“ eine Zange in der Tasche mit der er die Tür öffnet. Sie sagt Dank auf ihre Art und er ist damit sehr zufrieden.
So vergehen diese gemeinsamen Abende des Tabakeinfädelns. Mehr als alle Arbeiten hilft es mit, dass die Dorfgemeinschaft durch diese Arbeit zu einer großen Familie wird.
(Nacherzählt aus einem alten Skript)